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Texte - Maja Majer-Wallat
Fliegender Mohn (zurück)

Fliegender Mohn

Wie plastische Zeichen hängen die Mobiles in der Luft.
Am Anfang standen die Stiele am Boden. Sie mussten nur gesehen werden, gesammelt und zu zarten Gebilden gefügt werden. Aber dieser Mohn ist ehrgeizig, ihm steht der Sinn nach Höherem.

Die Formen haben Anteil an der überragenden Schönheit der Natur. Alle zusammen wiegen Zentner weniger als ein einziges Mobile von Alexander Calder. Ihr Gewicht beträgt nur wenige Gramm. Sie sind einfach und schön, schöner als schön. Sie sind entfernte Verwandte von Karl Blossfeldts „Urformen der Kunst“. Das natürliche Material wurde durch minimale Eingriffe künstlerisch transformiert. Es sind botanische Skulpturen.

Lautlos werden sie vom bloßen Hauch eines Windes bewegt. Die einzelnen Stangen scheinen frei zu schweben und sind doch mit unsichtbaren Fäden verknüpft. Sie bilden ein System, das nicht gestört werden will. Ein offenes Fenster genügt und sie beginnen ein poetisches Spiel. Sie schreiben filigrane Strukturen in die Luft.

Es sind zarte Konstruktionen fast ohne Konstruktion. Es geht bei diesen Mobiles darum, das richtige Gleichgewicht zu finden, die fragile Balance zu bewahren, den Absturz zu vermeiden. Ihr Minimalismus ist von großer Verletzbarkeit. Ungekünstelt bringen sie ihre ganz eigene zarte Farbigkeit mit.

Mohnkapseln enthalten Betäubungsmittel, das Schmerzen stillen kann und Träume wecken.

Jan Thorn-Prikker

Abgedruckt in:
Maja Majer-Wallat
Balance & System
Galerie Werner Klein, 2021
30 Seiten


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