Karoline Bröckel
- meine eigene Sprache - - 02. Oktober bis 30. Oktober 2021
In meinen Zeichnungen mache ich Dynamik sichtbar. Erlebtes aus meiner Umgebung erfährt eine unmittelbare Transformation und erscheint als Linie oder Strichfeld auf dem Papier. Mich interessieren Bewegungen, die meist der Natur entstammen: Wie sieht der Weg aus, den eine Ameise am Boden sucht? Welche Flugbahn nimmt eine Schwalbe am Himmel? Wie verläuft die Nektarsuche einer Biene? Wie tropft der Regen aufs Pflaster? Wie fällt der Schnee? Oder wie bewegt der Wind die Äste einer Birke? Auch Musik und eine Vogelstimme sind Impulse, die mich zum Zeichnen anregen. Was ich wahrnehme, übersetze ich mit Hilfe der Zeichnung in meine eigene Sprache. (Karoline Bröckel)
Seit über 15 Jahren begleiten wir das zeichnerische Werk von Karoline Bröckel. Wir freuen uns in dieser Ausstellung neben einigen frühen Zeichnungen zum ersten Mal Arbeiten der neuen Werkgruppen Hummeln, Bienen und Zilpzalp aus diesem Jahr präsentieren zu können.
Karoline Bröckels Zeichnungen entstehen in vielen Fällen draußen, unter freiem Himmel und in größter Abhängigkeit vom Auftreten der Phänomene, auf die sie sich beziehen.
Wenn die Lavendelbüsche blühen und die Sonne scheint, werden die Blüten von Bienen und Hummeln besucht. Sie fliegen Blüte für Blüte an und wandern auf ihnen auf der Suche nach Nektar herum. Es ist diese winzige Bewegung auf die Bröckel ihre Aufmerksamkeit richtet, die sie mit größter Konzentration mit den Augen verfolgt, während ihre Hand eine Unzahl kleinster Bleistiftspuren auf den bis zu 70 x 100 cm großen Papieren hinterlässt. Die Zeit verliert dabei ihre Bedeutung, die Fähigkeit zum achtsamen Hinschauen wird aufs Extremste herausgefordert. Auch die Betrachter*innen müssen ganz genau hinschauen, sich dem Blatt nähern, um es zu ergründen.
Die Zeichnungen der Werkgruppe Zilpzalp bestehen aus zwei bis vier A4 großen Blättern. Darauf sieht man millimetergroße Bleistiftstriche in Zeilen angeordnet, dazwischen kleinere und größere Leerstellen. Ein Strich steht für einen der kurzen harten Rufe des Zilpzalps, von denen der kleine Singvogel meist mehrere hintereinander im immer gleichem Intervall ausstößt. Die Leerstellen dokumentieren die Zeit, in denen der Vogel nicht ruft, in denen Bröckel in Gedanken im Rhythmus der Rufe weiterzählt. Sie bilden die verstreichende Zeit ab, das Warten in der Hoffnung, dass der Vogel weitersingt.
Die Zeichnungen von Karoline Bröckel bestehen aus abstrakten Strichen und Linien, die sich gänzlich von ihrem naturhaften Ursprung gelöst haben. Sie verändern dennoch unseren Blick auf die Natur. Ein wechselseitiges Wiedererkennen ist möglich. In Zeiten großer Bedrohungen der naturhaften Mitwelt machen sie zudem klar: ohne Schwalben und Ameisen, ohne Hummeln und Bienen und ohne den Zilpzalp gäbe es diese Kunstwerke nicht.
Karoline Bröckel (*1964) lebt und arbeitet bei München. Ihre Arbeiten waren Teil einiger der wichtigsten institutionellen Zeichnungsausstellungen der vergangenen Jahre wie “Zeichnung als Prozess“ im Museum Folkwang Essen 2008, “Walk the Line“ im Kunstmuseum Wolfsburg 2015, “Zeichnungsräume“ in der Hamburger Kunsthalle 2016 und “Die Linie ist Gedanke“ in der Galerie Stihl Waiblingen 2017. Bis Januar 2022 sind Arbeiten von Karoline Bröckel in der Ausstellung Spurensuche im Museum PEAC in Freiburg zu sehen (Eröffnung 19.9.2021).
Die Ausstellung wird begleitet von Karoline Bröckels erstem monografischen Übersichtskatalog
IN MEINER SPRACHE, erschienen im Verlag Kettler, Dortmund. Er umfasst 68 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und einem Text von Jens Peter Koerver.
Bitte beachten Sie die am Tag Ihres Besuches geltenden Regelungen der Corona Schutzverordnung.
Ausstellung und Katalog werden im Rahmen des Bundesprogramms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch die Stiftung Kunstfonds gefördert.
Installationsansichten David Ertl